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Friedensengel im Sinkflug oder schon bei Notlandung?

von Marcel Riwalsky – mep-online.de

Vor gut einem Jahr habe ich an dieser Stelle zum Thema Luftverkehr als Friedensbringer gesprochen. Friedensbringer, weil völkerverbindend und die Wirtschaft fördernd. Dadurch entsteht Wohlstand auch in abgelegeneren Gebieten, entstehen Bindungen zwischen Nationen, der Austausch von Ideen sowie Geschäftsanbahnungen. Wer sich kennt und versteht, wer sich gegenseitig bereist, wird weniger konfliktanfällig sein.

Nun stehen wir ein Jahr später – jedenfalls kurzfristig – fast ohne Luftverkehr da. Ursache ist eine Krankheit, ein Virus oder die Verbreitungsgeschwindigkeit dessen. Dabei ist die Gefahr, sich im Flugzeug anzustecken aufgrund der vergleichsweise hohen Durchsatz- und Filterleistung der Bordsysteme sehr gering, selbst bei enger Bestuhlung. Aber natürlich gibt es auch keine 100prozentige Sicherheit der Nicht-Ansteckung. Zumal es ja Zubringer, Flughäfen und Destinationen gibt, an denen die Luft nicht immer auf OP-Saal-Qualität erzeugt bzw. gefiltert wird.

Der Luftverkehr ist unverschuldet in diese Notlage gekommen. Dies ist auch das Argument der meisten Airline- und Airport- Chefs, wenn es um staatliche Beihilfen geht. Stimmt auch: Niemand aus der Aviation Industrie hat die Katastrophe zu verantworten. Ob es Schuldige gibt oder man sie identifizieren kann, ist noch offen und wird vermutlich nie abschließend geklärt. Klar ist wohl nur, dass der zu enge Kontakt zwischen (wilden) Tieren und Menschen die Sache nicht besser macht.

Was nun? Das komplette Grounding fast aller Passagiermaschinen wird sich im Laufe des Juni auflösen. Trotzdem wird nicht annäherungsweise das Vorkrisenniveau erreicht. Bis auf die Luftfracht ist das weltweite Netz der Fluggesellschaften fast komplett zum Erliegen gekommen. Luftfracht ist eine Ausnahme, da so gut wie alle Regierungen ein Minimalinteresse haben, Lieferketten irgendwie aufrecht zu erhalten. Zumal Fracht und Gepäck nicht dafür bekannt ist, Viren zu transportieren und somit zu übertragen.

Einige Airlines werden im Juni noch nicht dabei sein oder gar nicht mehr (Insolvenz). Andere, bereits totgeglaubte Airlines sind noch oder wieder dabei – bedingt durch zahlreiche Staatshilfen wird die Wettbewerbsverzerrung Programm. Paradoxerweise könnten die schwachen Marktteilnehmer nun zum temporären Gewinner werden. Leider gibt es keinen EU-weiten Ansatz für Staatsbeihilfen für Airlines und Airports. Somit führen die Beihilfen ohne jede Frage zu Marktverzerrungen.

Das Frankreich-Modell besteht im Wesentlichen aus Beihilfen gegen Aufgabe von Kurz- und Inlandsstrecken. Italien stellt bis auf eine Verkleinerung der Belegschaft gar keine Bedingungen. Also Ungleichheit par excellence! Werden die Ticketpreise steigen oder sinken? Beides vermutlich. Steigen, weil weniger Angebot und mehr Margendruck. Sinken, weil einige Anbieter versuchen werden, den Markt anzuschieben und bestimmte Strecken generell besser auszulasten.

Ich halte das Modell, das auch in den USA diskutiert wird, für sinnvoll: Durch staatliche Beihilfen alle oder bestimmte Strecken am Anfang stark und dann langsam abschmelzend zu subventionieren. Dadurch wird schnell ein Teil des ursprünglichen Angebots wieder her- und Infrastruktur – hier Flugfrequenzen – zur Verfügung gestellt. Natürlich würde das dazu führen, dass einzelne Strecken am Anfang auch (halb)leer geflogen werden. Angebot und Nachfragen werden das schnell regeln.

Fazit: Die Friedenengel fliegen weiter – aber kurzfristig eben weniger – ein Grund mehr, auf sie gut aufzupassen!

Der Autor ist Initiator des internationalen Formats Aviation- Event und auch dessen maßgeblicher Organisator.